„Wäre jemals ein vereintes Europa imstande, sich das gemeinsame Erbe zu teilen, dann genössen seine drei- oder vierhundert Millionen Einwohner Glück, Wohlstand und Ehre in unbegrenztem Ausmaße. […] Und welches ist der Zustand, in den Europa gebracht worden ist? Zwar haben sich einige der kleineren Staaten gut erholt, aber in weiten Gebieten starren ungeheure Massen zitternder menschlicher Wesen gequält, hungrig, abgehärmt und verzweifelt auf die Ruinen ihrer Städte und Behausungen und suchen den düsteren Horizont angestrengt nach dem Auftauchen einer neuen Gefahr, einer neuen Tyrannei oder eines neuen Schreckens ab. […] Und doch gibt es all die Zeit hindurch ein Mittel, das, würde es allgemein und spontan von der großen Mehrheit der Menschen in vielen Ländern angewendet, wie durch ein Wunder die ganze Szene veränderte und in wenigen Jahren ganz Europa, oder doch dessen größten Teil, so frei und glücklich machte, wie es die Schweiz heute ist. Welches ist dieses vorzügliche Heilmittel? Es ist die Neuschöpfung einer europäischen Völkerfamilie, oder doch so viel davon, wie möglich ist, indem wir ihr eine Struktur geben, in welcher sie in Frieden, in Sicherheit und in Freiheit bestehen kann. Wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa errichten.“
Der bekennende Europäer, Journalist, Autor und Politiker zeigt in einer Rede vom 19. November 1946 an der Universität Zürich die Notwendigkeit einer umfassenden Völkerverständigung auf dem europäischen Kontinent auf. Gerade in einer Zeit des aufstrebenden antieuropäischen Gedankenguts zeigt eine historische Person wie Winston Spencer Churchill sowohl als Politiker und Redner als auch als Künstler und Autor die Schrecken des Krieges und der Uneinigkeiten eines gespaltenen und zerstrittenen Europas auf.
Die am 12. November im Günter-Grass-Haus eröffnete Ausstellung zeigt sowohl die historische Person Churchill als Politiker als auch als eine Person, die sich Zeit ihres Lebens jederzeit die Laufbahn und die Ruhe des Künstlers – genauer gesagt des Malers und Romanautors – wünschte, jedoch aufgrund des persönlichen Ehrgeizes und der Erkennung seiner eigenen Pflicht die Aufgaben der britischen Politik übernahm, wie er in Form seiner an sich selbst orientierten Kunstfigur des gleichnamigen Romans Savrola beschreibt.
Churchill zeigt im Gegensatz zu Günter Grass die Laufbahn des Berufspolitikers und Berichterstatters auf, der sich in die Ruhe der malerischen und idyllischen Kunst flieht. Die Werke von Günter Grass, welche von Unruhe, Zerstörung und Leid handeln, zeigen einen wunderbaren Vergleich zwischen diesen beiden sowohl politisch als auch künstlerisch begabten Personen der Weltgeschichte auf.
Die Austellung ist noch bis zum 12.Februar 2017 im Grass-Haus zu sehen und ist trotz ihrer geringen Größe einen Besuch wert für alle, die das Grass-Haus noch nicht kennen oder auch einer weiteren Begehung der Grass-Ausstellung nicht abgeneigt sind.
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