
So leben Legehennen. Freilandhaltung?
Fröhlich pickend rennt ein Huhn durchs hohe Gras, friedlich liegen drei Eier im Stroh. Die Verpackungen, die Werbebroschüren und das Vokabular versprechen dem Konsumenten eine schöne heile Welt. Das Käfighuhn hat sich von seinen Fesseln befreit und stolziert selbstbestimmt über saftigen Grund und Boden. Die Ernährung besteht selbstverständlich ausschließlich aus gesundem (Voll-)Korn. So möchte die Industrie es uns glauben lassen und so möchten wir es glauben. Doch was steckt wirklich hinter Boden-, Freiland-, und Biohaltung? Elf Studenten aller Semester und Studiengänge machten sich auf den Weg zum Hornbrooker Hof, bei Bad Segeberg, um sich mutig ins Getümmel eines industrialisierten Massentierhaltungsstalles zu werfen.
Hauptdarsteller, neben dem gefiederten Vieh, ist der Betreiber des Hofes, Hans-Peter Goldnick, der nach einem kurzen Ausflug in die Finanzbranche und nach einigen Jahren Großstadtleben in Hamburg zurück aufs Land zog, um den Hof von seinem Großvater zu übernehmen. Im Gepäck hatte er eine große Portion Unternehmergeist, die er dazu nutzte, den alten Hof in eine moderne Produktionsstätte umzubauen. Fortan tummelten sich statt einigen Hofhühnern zig Tausende Legehennen in seinen Ställen, eine Verpackungsanlage wurde angeschafft und ein weitverzweigtes Vertriebsnetzwerk aufgebaut. Heute beliefert Herr Goldnick kleine und große Supermärkte wie z.B. EDEKA und ist einer der größten Eierproduzenten in Schleswig-Holstein.
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde ging es schnell ans Eingemachte. Was sind denn jetzt die Unterschiede der verschiedenen Haltungsformen, wollten die Studenten wissen. Herr Goldnick winkte heftig mit der Hand und führte uns in einen Stall. Im Vorraum, wo eine Mitarbeiterin Eier von einem Laufband nahm und sortierte, bekam jeder einen blauen Ganzkörperanzug und dann ging es ab zu den Hennen. Aufgeregt gackernd liefen sie hin und her und behielten uns, die Invasion der blauen Marsmännchen, skeptisch, aber auch interessiert, im Auge. Das also war Bodenhaltung: 10.000 Hühner flattern, gackern und laufen auf drei Ebenen (Volieren) um uns herum. Das Futter läuft fortwährend auf einem Förderband herein und die fertigen Eier laufen auf einem anderen Förderband heraus. Damit die Eier auch immer schön auf dem Förderband landen, sind die Böden in Richtung Mitte leicht abschüssig. Lediglich der unterste Boden muss von Hand abgesammelt werden. Jedoch führen bauliche Maßnahmen dazu, z.B. fehlende Nester, dass sich die Hennen viel lieber auf den oberen Etagen zum Eierlegen niederlassen und nur wenige Eier manuell eingesammelt werden müssen. Nichts wird dem Zufall überlassen, rund um die Uhr läuft die Maschinerie: eine echte Eierproduktionsstätte! Auf der einen Seite kommen die Materialien herein, die Arbeiterinnen setzen das Produkt mit ihrer Körperkraft zusammen und auf der anderen Seite läuft das fertige Produkt hinaus. Designer erforschen die Wünsche der Kunden und bauen die Produktionsstätten entsprechend um. Damit die Eierschale schön hart wird, wird dem Futter Muschelkalk zugefügt. Für ein dunkelgelbes Eigelb nehmen die Hühner Beta-Carotin über das Futter zu sich. Und für eine schön weiße Eierschale werden Hühner gezüchtet, die weniger Pigment produzieren. Gibt es Probleme, wie z.B. Krankheiten, werden Antibiotika dem Trinkwasser beigemengt. Allerdings geht auch hier nichts ohne Rezept. Der Betriebs(tier)arzt muss das entsprechende Medikament anordnen, ansonsten drohen empfindliche Strafen. Zu guter Letzt erklärte uns Herr Goldnick, „etwas Schwund ist immer“ und deutet auf eine tote Henne, die am Boden des Stalls liegt. Pro Tag stirbt aus den unterschiedlichsten Gründen ein Henne, fährt er fort.
Als Herr Goldnick eine Tür öffnete, dachten wir schon, er wolle uns jetzt die Freilandhaltung zeigen. Allerdings war dies ein großer Trugschluss. Denn, wie er uns erklärte, heißt Freilandhaltung keinesfalls, dass die Hennen glücklich draußen durchs Gras rennen, sondern lediglich, dass der Volieren-Stall, den wir gerade verlassen haben, mit einem kleinen Außenbereich verbunden sein muss, der per Gesetz circa 10 Prozent der Hennen fassen sollte. Da Hennen eine klare Hierarchie und Hackordnung haben, gibt es keinen großen Austausch zwischen drinnen und draußen und die meisten Eier aus Freilandhaltung haben in ihrem Leben noch nie einen Schluck frische Luft geatmet.
Nun gut, es ist nicht alles so, wie es scheint, dachten wir uns, aber es gibt ja noch das gute Bio-Ei von glücklichen Hühner. Doch auch diese Illusion sollte zerstört werden, denn auch die Bio-Hühner werden auf genau die gleiche Art wie die „90 Prozent drinnen – 10 Prozent Freilandhühner“ gehalten. Der einzige Unterschied ist lediglich, dass das Futter der Bio-Ei-Hennen biologisch angebaut worden sein muss. Ein schwacher Trost: Ein Bio-Ei hat sein Leben lang wenigstens Vollkornbrot und nicht das ungesunde Weißbrot mit den vielen Zusatzstoffen gegessen.

Die Arbeit der Hühner ist getan, jetzt wird verpackt
Nachdem wir uns einen guten Überblick verschafft hatten, lud uns Herr Goldnick zu einem Brunch ein. Es gab Eiersalat, viel Mayonnaise, lose Eier, frische Eier, Wachtel-Eier, Bio-Eier, Freilandeier und – natürlich – Bodeneier. Die schmecken ihm einfach am besten, erklärte uns Herr Goldnick und biss in sein präpariertes Brot.
Mit vollem Magen setzten wir uns zur Rückfahrt in den übergroßen Bus, der noch reichlich Platz für die vielen Gedanken hatte, die durch das Gesehene entstanden waren. So ein vollgepackter Stall ist einerseits schon gewöhnungsbedürftig, andererseits, wer Horrorbilder, wie zu Zeiten der Käfighaltung (seit 2010 in Deutschland verboten) erwartet hatte, der wurde glücklicherweise enttäuscht. Vielmehr muss man sagen, dass Freilandhaltung nicht wirklich viel mit Freiland zu tun hat und Bio-Haltung nicht viel mit Bio. Soll unser Sonntags-Ei also wirklich von freilaufenden, glücklichen Hühnern und nicht von gefiederten Produktionsstätten stammen, führt kein Weg an dem Bauernhof des Vertrauens vorbei.
Da alle Teilnehmer den Besuch der Hühnerfarm als gewinnbringend und interessant empfunden haben, soll es auch im kommenden Semester wieder eine Exkursion geben. Dieses Mal möchte das Referat für Kultur, Umwelt und Sport (KUS) des AStA einen Milchviehbetrieb ansteuern, um sich über die Hintergründe und Produktion des weißen Goldes zu informieren. Für alle, die Lust haben mitzufahren, heißt es, Augen und Ohren offenhalten, es wird rechtzeitig darüber informiert und dafür geworben werden.
Schon 4 Kommentare, hast auch du eine Meinung zu diesem Artikel?
Eckard Wendt, AGfaN e.V.: Liebe Studentinnen und Studenten!
Mal ehrlich: Hatten Sie sich auf die Besichtigung nicht vorbereitet? Nur so kann ich mir erklären, dass Sie sich mehrere Bären haben aufbinden lassen oder Sie merkten sich Herrn Goldnicks Angaben nicht gut genug.
In der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, die zu finden ist unter http://www.gesetze-im-internet.de/tierschnutztv/ steht eindeutig, dass Bodenhaltungshennen zu neun Tieren je m² im Stall leben (Eier-Code 2) wie auch Freilandhaltungshennen (Code 1), für die aber jeweils 4m² zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Angabe, der Auslauf müsse 10% der Hennen Auslauf bieten und sei klein, ist barer Unsinn. Wer rechnen kann kommt auf eine Auslauffläche, die etwa 36-mal so groß sein muss wie die Stallgrundfläche! Richtig ist nur, dass die meisten Ausläufe schlecht gestaltet sind und keinen Schutz vor Beutegreifern bieten, weshalb viele Hennen ganz nah am Stall bleiben. 10.000 Hennen im Stall kommen mir unwahrscheinlich vor, denn auf dem Foto oben ist kein Zwischenteiler zu sehen. Fakt ist, dass nur 6.000 Tiere je Herde gehalten werden dürfen. Hat sich Herr Goldnick etwa nicht an diese Bestimmung gehalten?
Falsch ist auch die Behauptung, die Lebensbedingungen der Bio-Hennen (Code 0) seien abgesehen vom Bio-Futter entsprächen denen der Freilandhühner. Richtig ist, dass bei der Bio-Freilandhaltung nur sechs Hennen je m² im Stall leben müssen. Außerdem sind die Herdengrößen kleiner, so dass die Hühner es leichter haben, nach draußen zu gelangen.
Bio-Hühner werden oft in Mobilställen gehalten. Das beste System ist von Weiland (www.huehnermobil.de). Es ist sehr leicht umzusetzen, so dass die Hennen fast nie auf kahlem Boden laufen müssen. Der Wördekämper-Stall ist sehr schwer und wird deshalb oft nur einmal im Jahr umgesetzt (www.mobilstall.de).
Informieren Sie sich auch auf unserem Sonderportal www.eier-deklaration.de
Und noch ein Angebot: Ich begleite Sie gerne bei Ihrer nächsten Exkursion auf einen Bauernhof, wenn der Tiere hält.
11. Februar 2012 um 22:30 Uhr
Ernst Ulich, Tier & Mensch e.V.: Liebe Freunde! Es gibt natürlich auch sehr gute Öko-Betriebe mit hervorragender Freilandaltung. Wir z.B.kriegen unsere Eier hier in Berlin von Geflügelhof Rebotzke in Hohenbrück (Spreewald), den solltet Ihr Euch mal angucken. Kleine Herden, viel Platz im Stall. Und wenn am Vormittag die Tore geöffnet werden, strömen die Hennen ins Freie
Dies ist wirklich ein "Bauernhof des Vertrauens".
Teilt uns doch mal Eure Postadresse mit, dann schicken wir Euch einiges Infomaterial, z.B. über Milchkühe.
E. Ulich, Geschäftsführer
15. Februar 2012 um 17:36 Uhr
Herrmann Lohse: Mir ist in der Zwischenzeit der Appetit auf Eier gründlich vergangen,bisher habe ich immer sog. "Eier aus Freilandhaltung" gekauft und dafür auch gerne mehr bezahlt, ich wäre auch bereit 50 Cent/Ei zu zahlen, wenn ich die Gewissheit hätte,dass die Tiere artgerecht gehalten würden.
Aber nachdem, was ich jetzt alles weiß, kaufe ich keine Eier mehr, schon gar nicht die sog. Eier aus Freilandhaltung, was alles nur Lug und Trug ist, weil diese Raffkes den Rachen nicht voll genug bekommen.Man sollte diese Gierhälse selbst mindestens einige Monate unter den gleichen Bedingungen halten, die sie aus purer Geldgier den Tieren zumuten, vielleicht würden sie dann anfangen umzudenken.Leider habe ich bisher keinen einzigen Bauern gefunden bei dem die Hühner wirklich noch frei laufen können, (Kreis Segeberg/ Stormarn).Es gibt dieses Jahr keine Ostereier mehr und auch in Zukunft nicht und auch kein Frühstücksei.
9. März 2013 um 11:54 Uhr
Claudia MPunkt: Natürlich gibt es Menschen denen ist das Tierwohl egal, aber bei einer so hohen Anzahl von Legehennen die auf dem ersten Bild zu sehen sind, vergeht einem doch wirklich der Appetit. Das ist Tiermissbrauch hoch drei. Ausserdem gibt es genug vegane Alternative, die Eigelb und Eiweiß ersetzen können.
14. Juni 2016 um 16:12 Uhr